Stark gegen Süchte

Da die Entwicklung von süchtigem Verhalten häufig im Jugendalter beginnt, ist Sucht- und Drogenpräventionsarbeit in dieser Altersgruppe besonders bedeutsam. Die Körperorgane, z.B. das Gehirn, sind erst mit ca. zwanzig Jahren voll ausgereift, weshalb Alkohol oder andere psychoaktive Substanzen u. a. die Denkfunktionen wie die Konzentration und die Gedächtnisleistung unwiderruflich schädigen. Generell gilt, je niedriger das Einstiegsalter, desto schwerwiegender sind die gesundheitlichen Einbußen und umso wahrscheinlicher ist die Entwicklung einer Abhängigkeit. Um den Einstieg in den Suchtmittelkonsum zu verzögern bzw. zu verhindern und bereits konsumierende Jugendliche bei ihren Ausstiegsversuchen zu unterstützen, führen wir das Projekt „Stark gegen Süchte“ bereits gegen Ende der Jahrgangsstufe 7 durch.

starkgegensuechteDas Projekt ist so konzipiert, dass verschiedene Aufgabenfelder der modernen Suchtprophylaxe ganzheitlich – „mit Kopf, Herz und Hand“ – implementiert werden. Zudem werden die Bereiche der allgemeinen Suchtvorbeugung abgedeckt, d.h. es werden sowohl stoffgebundene als auch stoffungebundene Süchte (z.B. Magersucht, Esssucht, Spielsucht am PC) usw. thematisiert.

Die Projektleitung wird von Lehrern und Oberstufenschülern übernommen, die speziell für dieses Projekt von den Fachkräften der Drogenberatungsstelle in Dinslaken fortgebildet wurden. Die Betreuung durch Oberstufenschüler bietet sich an, da ältere Schüler jüngere Schüler bezüglich ihrer Ansichten zum Suchtmittelgebrauch stark beeinflussen und eine wichtige Vorbildfunktion erfüllen. Im Gegenzug erwerben die älteren Schüler zusätzliche soziale Kompetenzen und werden für ihr hilfsbereites Engagement mit einer kleinen Auszeichnung belohnt. Um die Projektarbeit effektiver zu gestalten, wird jede Klasse aus der Jahrgangsstufe 7 in zwei Gruppen geteilt. Jede Klassenhälfte wird von einem Lehrer und einem Oberstufenschüler an drei aufeinanderfolgenden Tagen betreut. Zu Beginn der Projektphase werden Meinungen ausgetauscht und die lerngruppenspezifischen Interessen ermittelt. Des Weiteren werden wichtige Sachverhalte geklärt, um zu gewährleisten, dass alle Schüler über einen ähnlichen Wissensstand verfügen.

Im weiteren Projektverlauf arbeiten die Schüler weitgehend eigenständig in Kleingruppen an kreativen Aufgaben (s. u.). Die kreative Aktivität wird ganz nach den individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen der Gruppenmitglieder ausgewählt. Die Vorgaben sind so weit gefasst, dass stets unbegrenzte eigene Ideen einfließen können, was wiederum für einen hohen Motivationsfaktor sorgt. Auf diese Weise lernen die Schüler spielerisch miteinander zu kommunizieren, zu kooperieren, ihre Meinungen vor den anderen zu vertreten oder die Meinungen der anderen zu akzeptieren. Die Hauptziele aller „Kreativarbeiten“ sind die Förderung von Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Planungskompetenz, Kooperationsbereitschaft und Eigenständigkeit.

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Suchtparcours: Gleichgewichtsprobleme mit der “Rauschbrille”

Allgemeine Ziele des Projektvorhabens sind: Stärkung der eigenen Persönlichkeit, Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien, Widerstehen von Gruppendruck („Nein – Sagen“), Bewusstwerden und Vertreten der eigenen Bedürfnisse, Stärkung des Selbstbewusstseins und des Selbstwertgefühls, Förderung des Reflexionsvermögens und die Wissensvermittlung über suchtrelevante Sachverhalte. Ein häufig eintretender positiver Nebeneffekt des Projektvorhabens ist zudem eine verbesserte Klassenatmosphäre.

Am dritten Projekttag werden die Ergebnisse den Mitschülern aus der Jahrgangsstufe 7 präsentiert. Die Aufführung findet in der Aula oder in der schuleigenen Bibliothek statt. Die in den genannten Räumlichkeiten vorhandene Technik ermöglicht z. B. die Präsentation der eigens hergestellten Fotos, Poster oder der durchgeführten Interviews. Auch die Darbietung von selbst gedrehten Filmen mit dem Beamer oder die Aufführung von (Rap-) Songs mit dem Mikrofon ist möglich. Die Ergebnispräsentation auf der Bühne erfordert Mut, fördert jedoch auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Wertschätzung der eigenen Leistungen.

Im Folgenden werden einige der zur Auswahl stehenden Projektmethoden kurz erläutert. Während einige Aufgaben mit der gesamten Gruppe durchgeführt werden, erarbeiten die Schüler die „kreative Aufgabe“ weitgehend selbstständig in Kleingruppen:

„Entspannungsübungen“

Zu Beginn jedes Projekttages wird zunächst eine entspannte Atmosphäre geschaffen, indem Entspannungsübungen und Fanstasiereisen durchgeführt werden. Auch Duftöle und Musik werden ggf. eingesetzt, um den „Schulstress“ hinter sich zu lassen.
Da bewiesen ist, dass lange Stressphasen die Entstehung von Krankheiten und Suchtverhalten begünstigen, lernen die Schüler Stresssymptome wahrzunehmen und sich gedanklich und verbal mit diesen auseinanderzusetzen. Zudem werden weitere Möglichkeiten der individuellen Stressbewältigung thematisiert.

 „Anonymes Konsumprofil“

Auf einem Plakat werden Lebensmittel und Alltagsgegenstände aufgelistet, z. B. Süßigkeiten, Tee, Kaffee, Zigaretten, Shisha, Handy, Alkohol, Computer etc. Die Schüler werden aufgefordert, hinter den Begriffen einen grünen oder einen roten Klebepunkt aufzukleben, je nachdem, ob sie das Lebensmittel/den Gegenstand weniger oder häufiger als 3x pro Woche konsumiert/verwendet haben. Die Ergebnisse werfen viele Fragen auf, die zu interessanten Diskussionen verleiten. Was ist die „Lieblingsdroge“ der Klasse? Warum hat der Gegenstand solch einen hohen Stellenwert? Welches Ergebnis wurde erwartet? Ab wann besteht ein zwanghaftes Konsumverhalten? Ziel ist es, das eigene Konsumverhalten zu reflektieren und zu bewerten. Zudem kann das anonyme Konsumprofil der Gruppe ermittelt werden.

 „Überraschungssack“

Aus einem Beutel greifen die Teilnehmer blind einen Gegenstand heraus, z.B. Geldbörse, Klebstoff, Tablettenpackung und erzählen, was sie damit in Verbindung bringen. Da die Gegenstände mit stoff- und stoffungebundenen Süchten in Verbindung stehen, das Wissen diesbezüglich meist jedoch nur gering ist, entstehen viele Fragen. Welche Stoffe machen süchtig? Wie hoch ist der Suchtfaktor, z. B. von Computerspielen? Worauf kann ich verzichten und worauf keinesfalls? Was ist Sucht?

Um Verständnisprobleme auszuschließen, werden grundlegende Begriffe erläutert, z.B. stoff- und stoffungebundene Süchte, physische und psychische Abhängigkeit, legale und illegale Drogen etc. An dieser Stelle können bereits viele Schülerfragen geklärt, Konsumverhalten reflektiert und Vorurteile abgebaut werden. Des Weiteren erfahren die Schüler, an welche Ansprechpartner sie sich vertrauensvoll wenden können, wenn familiäre oder schulische Probleme auftreten oder wenn süchtiges Verhalten bei sich selbst oder anderen beobachtet wird.

„Suchty“

In Kleingruppen zeichnen die Schüler den Körperumriss eines Teilnehmers auf eine große Papierrolle. Anschließend notieren sie die Gründe, die ihrer Meinung nach für die Entstehung von Süchten verantwortlich sind, in den Körper des „Suchty“ hinein oder um den „Suchty“ herum, je nachdem, ob die Gründe innerlich bedingt sind oder durch äußere Faktoren bewirkt werden.
Auf diese Weise lernen die Schüler die wesentlichen Ursachen der Suchtentstehung kennen. Durch das Bewusstwerden der Risikofaktoren sollen die Umwelt und das eigene Verhalten stärker reflektiert werden. Das ermöglicht wiederum, das eigene „Suchtpotenzial“ besser einzuschätzen und auf die Entstehung eines Abhängigkeitsverhältnisses aufmerksam zu werden.

„Suchtscrabble“

Jede Kleingruppe notiert möglichst viele Begriffe zum Thema „Süchte“. Die Gruppe, die die meisten Begriffe notiert hat und diese auch erklären kann, gewinnt. Das „Suchtscrabble“ dient in erster Linie der Informationsvermittlung und kann im Anschluss durch das so genannte „Tonnenmodell“ erweitert werden.

Sofern die Wissensvermittlung nicht isoliert, sondern im Rahmen weiterer suchtpräventiver Methoden und kommunikativer Auseinandersetzungen stattfindet, ist die Vermittlung von Fakten über die Wirkungsweisen, Gefahren und rechtlichen Folgen des Suchtmittelkonsums/-missbrauchs als effektiv anzusehen.
Erst wenn den Schülern die Gefahren von Rauschmitteln und Süchten sowie deren Auswirkungen bekannt und bewusst werden, können sie ein verantwortungsvolles und gesundheitsgerechtes Handeln sich selbst und anderen gegenüber entwickeln.

 „Tankmodell“

Genauso wie ein Auto Kraftstoff in seinem Tank benötigt, um zu fahren, benötigen wir besondere Dinge in unserem „seelischen Tank“, um uns wohl zufühlen.
Auf einem Arbeitsblatt notieren die Projektteilnehmer individuelle Möglichkeiten, ihren „seelischen Tank“ wieder aufzufüllen. Fehlen diese „Tankstellen“ und werden „Ersatztankstellen“ (z.B. Alkohol) benutzt, um den Tank wieder aufzufüllen, besteht ein Risiko, suchtkrank zu werden.
Mithilfe des Tankmodells sollen die Schüler erkennen, dass Suchtmittelgebrauch als eine Bewältigungsstrategie genutzt wird, um persönliche Konflikte zu bearbeiten. In den Reflexionsphasen geht es um den persönlichen Umgang mit Frustrationen und die Entwicklung individueller Konfliktlösungsstrategien.

Kreative Arbeiten

„Rollenspiele“

In Kleingruppen entwickeln die Schüler ein Rollenspiel, z.B. zum Thema „Nein – Sagen“, Zigarettensucht, Magersucht, Alkoholmissbrauch oder Gruppendruck. Die Teilnehmer können dabei auf vorgegebene Geschichten zurückgreifen oder sich eigene Handlungen ausdenken.
Da Rollenspiele erfordern, dass Gefühle nachempfunden und spielerisch zum Ausdruck gebracht werden, fördern sie emotionale Kompetenzen. Des Weiteren stärkt die Präsentation auf der Bühne das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl. Die Darsteller müssen aber auch lernen, mit Lob und Kritik von seiten des Publikums umzugehen.

Rollenspiel zum Thema Gruppenzwang
Verfassen von „Geschichten, Gedichten oder Referaten“

In Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit erfinden die Projektteilnehmer Geschichten oder schreiben Gedichte zum Thema „Sucht“. Auch die Vertonung der Geschichte zum Hörspiel ist möglich. Die Hintergrundinformationen, die insbesondere für das Halten eines Sachvortrags notwendig sind, lassen sich u. a. aus den vorliegenden Informationsmaterialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entnehmen. Diese „Kreativarbeiten“ dienen sowohl der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema „Sucht“ als auch der Wissensvermittlung in Hinblick auf mögliche Wirkungsweisen und Gefahren von Drogen.

„Kunst und Designobjekte“

In Kleingruppen setzen sich die Schüler künstlerisch mit dem Thema „Sucht“ auseinander, indem sie beispielsweise Bilder, Collagen oder Comics anfertigen. Während der letzen Projektphase bauten die Schüler zum Thema „Objektdesign“ u. a. einen „Designeraschenbecher“, der zum Nichtrauchen verleiten soll. Diese Arbeit fördert insbesondere die Fantasie und Kreativität der Teilnehmer.

„Film“

Gedreht werden Filme, in denen beispielsweise die „Suchtentstehung“ thematisiert wird. Während der letzten Projektdurchführung wurden zudem Interviews aufgenommen, um Meinungsbilder zu ermitteln.
Da die Schüler den Filmverlauf weitgehend selbstständig planen, organisieren und sich mit der Technik vertraut machen müssen, sind in erster Linie Planungskompetenz und Kooperationsbereitschaft gefordert.

Entwicklung von „Werbeplakaten, Werbeslogans oder Werbespots“

Allein die Tabakindustrie investiert jährlich ca. 300 Millionen Euro in die Werbung, um möglichst viele Menschen zum Kauf von Zigaretten zu animieren. Die Schüler erfahren, wie man die Tricks der Werbung durchschaut. Des Weiteren können die Gruppenmitglieder selbst Werbeplakate mit Slogans zu den Themen „Sucht“ und „Drogenkonsum“ gestalten, eine „Anti-Drogen-Kampagne“ entwickeln oder einen Werbespot erfinden. Insbesondere in der Werbung sind Kreativität und analytische Kenntnisse gefragt. Diese Fähigkeiten werden während der Gruppenarbeit trainiert.

„Spiele“

Die Schüler erfinden Spiele zum Thema „Süchte“. Dabei müssen nicht zwangsläufig Fragen für ein Brett- oder Kartenspiel entwickelt werden. Auch Ballspiele, der Lauf durch einen Hindernisparcour o. ä. sportliche Aktivitäten sind wünschenswert. Die Schüler müssen sich nicht nur mit thematisch neuen Sachverhalten auseinandersetzen, sondern auch ihre Kreativität sowie organisatorisches Talent unter Beweis stellen.

Ansprechpartnerin: Frau Sträßer, StR’, Gesundheits- und Suchtbeauftragte